Aufarbeitung sexueller Gewalt im Sport. Verantwortungsübernahme und Anerkennung

Sabine Andresen, Goethe-Universität Frankfurt

Schlüsselwörter: sexuelle Gewalt, Sport, Aufarbeitung

Seit Jahren wird vom Sport gefordert, Verantwortung für sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche während des Trainings, im Rahmen von Turnieren oder bei Fahrten aufzuarbeiten. Immer mehr betroffene Menschen melden sich zu Wort und berichten von Übergriffen. Sie legen Zeugnis ab über sexuelle Gewalt, über Strategien von Tätern und Täterinnen im Sport, über den Druck, den Erwachsene auszuüben vermögen, wenn Kinder und Jugendliche im Sport etwas erreichen wollen. Sie berichten von unterbliebener Hilfe und Unterstützung, von Wegsehen, Bagatellisieren und Vertuschen. Um dem widerfahrenen Unrecht gerecht werden zu können, muss der Sport Verantwortung übernehmen und Wege der Anerkennung finden. Das ist ein schwieriger Prozess.

Aufarbeitung von vergangenem Unrecht und Gewalt berührt die Gegenwart. Es geht um das Leben und die Rechte von inzwischen erwachsenen Betroffenen, um die Rechte und den Schutz von Kindern und Jugendlichen hier und heute im Sport und um die Verantwortung von Vorständen, Trainern oder Übungsgruppenleiterinnen. Dabei geht es sowohl um den Spitzen- als auch um den Breitensport.

Bislang sind Bemühungen um gesellschaftliche Aufarbeitung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Sport keineswegs selbstverständlich. Generell ist Aufarbeitung umstritten, sie wird von Widerständen begleitet und geht mit Kontroversen einher.

Der Vortrag klärt, was Aufarbeitung ist, wie vorgegangen werden kann und welche Ergebnisse bislang zum Sport, auch im Vergleich zu anderen Tatkontexten, vorliegen. Ein wichtiger Ausgangspunkt ist die Arbeit der „Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“, die seit 2016 in Deutschland tätig ist. Sie definiert Aufarbeitung folgendermaßen: „Aufarbeitung soll aufdecken, in welcher Kultur sexueller Kindesmissbrauch in einer Institution stattgefunden hat, welche Strukturen mit dazu beigetragen haben, dass Täter und Täterinnen Kindern und Jugendlichen Gewalt angetan haben, wer davon gewusst hat, aber sie nicht oder spät unterbunden hat. Sie soll sichtbar machen, ob es unter den Verantwortlichen in den Institutionen zu dem Zeitpunkt des Missbrauchs eine Haltung gab, die Gewalt begünstigt und Kinder oder Jugendliche abgewertet hat, und sie will klären, ob und wenn ja warum sexueller Kindesmissbrauch in einer Einrichtung vertuscht, verdrängt, verschwiegen wurde. Auf der Basis dieser Erkenntnisse zielt Aufarbeitung auf Anerkennung des Leids und auf die Rechte und Unterstützung erwachsener Betroffener. Sie will einen Beitrag dazu leisten, Kinder und Jugendliche besser zu schützen und ihre Rechte zu etablieren, und sie zielt darauf, die Gesellschaft für die Dimensionen sexuellen Kindesmissbrauchs zu sensibilisieren. Durch öffentliche Berichterstattung und Empfehlungen kommt Aufarbeitung zu einem Ergebnis, an das für Prävention, Intervention und weitere Aufarbeitung angeknüpft werden kann" (Andresen et al. 2019, S. 8).

Literatur

Andresen, S., Bergmann, C., Briken, P., Katsch, M., Kavermann, B., Keupp, H., & Tilmann, B. (2019). Rechte und Pflichten: Aufarbeitungsprozesse in Institutionen. Empfehlungen zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Berlin: Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs.

 

 

Prof.in Dr. Sabine Andresen

"Aufarbeitung sexueller Gewalt im Sport. Verantwortungsübernahme und Anerkennung"

Sabine Andresen (geb. 1966 in Nordstrand) ist Professorin für Sozialpädagogik und Familienforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

  • 1990 erstes Staatsexamen Lehramt Deutsch, Geschichte und Musik
  • 1994 Diplom in Pädagogik
  • 1997 Promotion in Erziehungswissenschaften an der Universität Heidelberg
  • 2003 Habilitation in Pädagogik an der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich
  • 2004 – 2011 Professorin für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Universität Bielefeld
  • Seit 2011 Professorin für Familienforschung und Sozialpädagogik, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
  • Seit 2016 Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, Berlin

Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen unter anderem Kindheits- und Familienforschung, Vulnerabilität in der Kindheit und Forschungen zu sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend.



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