Bildung für nachhaltige Entwicklung und Sport – eine Seilschaft für die Zukunft?

Julia Lohmann, Universität Augsburg

Schlüsselwörter: BNE, Sportlehrerbildung, Kompetenz, Nachhaltigkeit

Dem Sport wird eine wichtige Rolle für das Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) zugeschrieben (Vereinte Nationen, 2015). Gleichzeitig gilt er aber auch als Treiber ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Problemlagen. Ein Dilemma, mit dem sich die Sportwissenschaft bislang kaum im Sinne einer mehrdimensionalen Betrachtung nachhaltiger Entwicklung im Sport auseinandersetzt. Jüngere Publikationen zeigen den Bedarf an Forschung zu Umwelt- und Klimafragen im Sport (Abu-Omar & Gelius, 2020), zur Rolle von Sport und Bewegung im Kontext nachhaltigen Alltagshandelns (Nigg & Nigg, 2021), aber auch zu Effekten von Sportprogrammen im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit (Schulenkorf et al., 2016) auf. Der Sport bietet eine Vielzahl an Anknüpfungspunkten zu Themen einer nachhaltigen Entwicklung, z.B. CO2-Bilanz sportmotivierter Mobilität, Nutzungskonflikte bei Natursportarten, ökologische und soziale Rahmenbedingungen des Konsums von Sportartikeln oder soziale Ungleichheiten im Sport. Im und durch Sport können aber auch alltagsrelevante, mit Emotionen und konkreten Handlungen verknüpfte Bildungsanlässe im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung geschaffen werden (Gieß-Stüber & Thiel, 2016). Das Potenzial des Sports wird jedoch in Bezug auf das aktuell bildungspolitisch diskutierte Konzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) bislang kaum genutzt und wenig beforscht (Lohmann et al., 2021).

BNE steht für eine Bildung, die Lernende dazu befähigt, vor dem Hintergrund des Leitbilds einer nachhaltigen Entwicklung verantwortungsbewusste und zukunftsfähige Entscheidungen zu treffen. Eine große Herausforderung der BNE ist der didaktische Umgang mit der doppelten Komplexität von Nachhaltigkeitsthemen (Ohl, 2018). Bildungsprozesse sollten so gestaltet werden, dass Lernende solche Kompetenzen erwerben, die es ihnen ermöglichen, sich nicht nur die faktische Komplexität von Nachhaltigkeitsthemen zu erschließen, sondern insbesondere bei Abwägungen und Entscheidungen auch die ethische Komplexität zu berücksichtigen (Ohl, 2018).

In dem Vortrag werde ich der Frage nachgehen, wie BNE in der Hochschulbildung im Sport gelingen kann. Dabei wird die Perspektive der Lehrenden im Fokus stehen. Darüber hinaus werden weitere Perspektiven aufgezeigt, die Lehrende in ihren unterschiedlichen Rollen im Hochschulkontext auf BNE haben und die für das Gelingen einer ganzheitlichen BNE relevant sind. Für Lehrende stellt sich zunächst die Frage, welche Kompetenzen Studierende der Sportwissenschaft und des Lehramts für das Fach Sport in Bezug auf BNE erwerben sollten, welche Themen der nachhaltigen Entwicklung im Kontext Sport besonders relevant sind und wie die didaktischen Herausforderungen der BNE mit einer bewegungsorientierten Bildung im Sport in Einklang gebracht werden können (Lohmann et al., 2021). Lehrende sind aber auch in ihrer Rolle als Mitglieder einer sportwissenschaftlichen Institution gefragt, die Institution im Sinne eines Whole Institution Approach als Lernort mitzugestalten. Aus dieser Perspektive geht es darum, den Lernort auch in der Bewirtschaftung (z.B. Materialbeschaffung, Veranstaltungen, Institutsleben, Reiseorganisation) an den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung auszurichten. Lehrende sind in der Regel auch als Wissenschaftler:innen tätig. Aus dieser Perspektive können sie sich einerseits inhaltlich mit sozial-ökologischen Fragestellungen im Sport beschäftigen andererseits müssen sie sich die Frage stellen, wie sie Sportwissenschaft verantwortungsbewusst umsetzen und anleiten. Nicht zuletzt sind Lehrende im Fach Sport meist selbst Sportler:innen. In dieser Rolle fungieren sie als Vorbild für einen nachhaltigen sportiven Lebensstil. BNE in der Hochschulbildung ganzheitlich umzusetzen bedeutet, BNE nicht nur didaktisch in Lehrveranstaltungen zu implementieren, sondern auch, die verschiedenen, möglicherweise von gegensätzlichen Interessen geleiteten Perspektiven zu integrieren. Eine vielversprechende Möglichkeit, den angedeuteten Integrationsprozess anzustoßen und zu moderieren, bieten partizipative und transformative Forschungsprojekte, an denen verschiedene Akteure beteiligt sind, um gemeinsam wissenschaftlich fundiertes und praxisrelevantes Wissen zu erarbeiten (Norström et al., 2020). Ein solches Forschungsprojekt wird derzeit an der Universität Augsburg umgesetzt und soll beispielhaft vorgestellt werden.

Gerade für die Sportwissenschaft ist die Umsetzung und Beforschung von BNE im Sport ein spannendes Feld der so oft postulierten, aber selten umgesetzten interdisziplinären Zusammenarbeit. Anhand der oben skizzierten Perspektiven und beispielhafter Projekte werde ich aufzeigen, wie BNE in der Hochschulbildung im Sport aktuell umgesetzt wird, welche Interessenskonflikte zu bewältigen sind und welche Chancen sich für eine Seilschaft aus BNE und Sport ergeben.

Literatur

Abu-Omar, K., & Gelius, P. (2020). Klima und Sport? Klima und Sport! German Journal of Exercise and Sport Research, 50(1), 5–9. https://doi.org/10.1007/s12662-019-00630-0

Gieß-Stüber, P., & Thiel, A. (2016). Beitrag des Schulsports zum Lernbereich Globale Entwicklung. Sekundarstufe I. In KMK & BMZ (Hrsg.), Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (2. Auflage., S. 357–378). Cornelsen.

Lohmann, J., Breithecker, J., Ohl, U., Gieß-Stüber, P., & Brandl-Bredenbeck, H. P. (2021). Teachers' professional action competence in education for sustainable development: A systematic review from the perspective of physical education. Sustainability, 13(23), 13343. https://doi.org/10.3390/su132313343

Nigg, C., & Nigg, C. R. (2021). It's more than climate change and active transport-physical activity's role in sustainable behavior. Translational Behavioral Medicine, 11(4), 945–953. https://doi.org/10.1093/tbm/ibaa129

Norström, A. V., Cvitanovic, C., Löf, M. F., West, S., Wyborn, C., Balvanera, P., . . . Österblom, H. (2020). Principles for knowledge co-production in sustainability research. Nature Sustainability, 3(3), 182–190. https://doi.org/10.1038/s41893-019-0448-2

Ohl, U. (2018). Herausforderungen und Wege eines systematischen Umgangs mit komplexen Themen in der schulischen Nachhaltigkeitsbildung. In Pyhel, T. (Hrsg.), DBU-Umweltkommunikation: Bd. 10. Zwischen Ohnmacht und Zuversicht? Vom Umgang mit Komplexität in der Nachhaltigkeitskommunikation (pp. 131–146). oekom.

Schulenkorf, N., Sherry, E., & Rowe, K. (2016). Sport for Development: An integrated literature review. Journal of Sport Management, 30(1), 22–39. https://doi.org/10.1123/jsm.2014-0263

Vereinte Nationen (2015). Transforming our world: The 2030 agenda for sustainable development. A/RES/70/1.

 

 

Dr.in Julia Lohmann

"Bidlung für nachhaltige Entwicklung und Sport - eine Seilschaft für die Zukunft"

Julia Lohmann (geb. 09.10.1987 in Sandton, Rep. Südafrika) ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sportpädagogik der Universität Augsburg.

  • 2012 Diplom in Sportwissenschaft an der TU München
  • 2013 – 2018 Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Arbeitsbereich Sportpädagogik
  • 2017 Innovationspreis der Albert-Ludwig-Universität Freiburg für das Lehrprojekt BNE outdoor – Bildung für nachhaltige Entwicklung durch Natursport
  • 2019 Promotion an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, „Trainer*innenverhalten in Gesundheitssportkursen“
  • Seit 2018 Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Universität Augsburg, Lehrstuhl für Sportpädagogik
  • 2021 Wissenschaftspreis des Deutschen Olympischen Sportbundes für die Doktorarbeit (3. Platz)

Frau Lohmann forscht aus sozialwissenschaftlicher Perspektive zu den Themen Sport und Gesundheit sowie (Bildung für) nachhaltige Entwicklung im und durch Sport. Sie ist erste Vorsitzende des Vereins zur Förderung des sportwissenschaftlichen Nachwuchses und Mitglied im Sprecherrat der dvs-Kommission Wissenschaftlicher Nachwuchs. Sie besitzt Trainerlizenzen in unterschiedlichen Sportarten wie zum Beispiel Sportklettern, Skibergsteigen und Gerätturnen.



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